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Eva Maria Šmon im Interview

Ich freue mich immer wieder, wie soziale Medien Menschen doch zusammenbringen können – im heutigen Fall habe ich die Autorin Eva Maria Šmon über Instagram kennen gelernt und freue mich, sie nun auf meinem Blog interviewen zu dürfen.

Eva Maria ist ein bibliophiler Mensch, Selfpublisherin und Autorin eines literarisch geprägten dystopischen Romans. In ihrem Werk, das bei Amazon ab dem 29. August vorbestellt werden kann, geht es um Identitätsfindung zwischen Erinnern und Vergessen. In unserem Interview ist sie mir Rede und Antwort gestanden und hat so einiges über ihr Buch, das Selfpublishing und ihr Leben als Autorin erzählt.

© Andreas Durst

Fotocredit: © Andreas Durst

Liebe Eva, demnächst erscheint dein Buch Der Wald ist wie das Vergessen – Im Vorfeld des Interviews meintest du, es geht um Identitätsfindung zwischen Erinnern und Vergessen. Ich denke, Erinnerungen sind sehr identitätsstiftend. Kannst du uns in Bezug auf dein Buch vielleicht schon mehr verraten?

Das Land ist voller Wald. Es gibt praktisch nichts mehr. Eine Organisation von Warlords, die S-Org, tyrannisiert die Leute aus dem Dorf. Alles, was mit Erinnerung, mit kollektivem Gedächtnis zu tun hat, ist verboten. Es gibt keine Bücher, Fotos, Landkarten mehr. Die Leute können nicht mehr lesen und schreiben. Sie haben auch keine Namen. Es gibt kein Gedenken an die Toten, ihre Häuser werden verbrannt. Auf diese Weise wurden die Quellen der Erinnerung ausgetrocknet und die Speicher der Erinnerung geleert…

Es geht also um kollektives Gedächtnis oder besser Nicht-Gedächtnis, also Vergessen.

Kollektives Gedächtnis formt sich aus den Erinnerungen dreier Generationen. Wenn es nichts gibt, woran man sich als Gesellschaft erinnern darf, gibt es auch keinen Rahmen für persönliche Erinnerungen. Denn die Frage: Wer bin ich? wird natürlich von unseren Erinnerungen geprägt und in einem umfassenderen Kontext eben auch vom kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft. Eine Person, die z.B. in Deutschland aufwächst, wird eine andere Identität entwickeln als jemand in der Ukraine oder den USA.

In „Der Wald ist wie das Vergessen“ gibt es keinen Ankerpunkt für gesellschaftliche Identität und auf die Frage: „Wer bin ich?“, gibt es nur Schweigen.

Das stelle ich mir schrecklich vor, ich selbst fotografiere und schreibe sehr gerne, das würde mir unglaublich fehlen. Doch bevor wir weiter machen, stell dich den Leser:innen doch einmal vor: wer bist du, woher kommst du? Und wie bist du überhaupt zum Schreiben gekommen?

Ich komme ursprünglich aus dem Allgäu, wohne in Mannheim und Provvidenti, einem winzigen Dorf in Süditalien, genauer gesagt im Molise, einer Region, die nicht einmal die Italiener kennen, die aber unglaublich schön und naturbelassen ist.

Ich habe Jura studiert und einige Semester Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft. Zum Schreiben bin ich erst spät gekommen. Aber ich habe natürlich schon immer sehr viel gelesen.

Viele Autor:innen, die ich kennen gelernt habe, sind durch ihre Liebe zum Lesen zum Schreiben gekommen. Dazu muss ich gleich sagen: Ich liebe den Titel deines Buches! Ich finde ihn poetisch und leicht düster, mit dem Wald assoziiere ich aber etwas Ruhiges und Positives. Wie bist du auf den Titel gekommen?

Der Titel ist ein Zitat aus dem Buch. Eine der Hauptfiguren vergleicht den Wald mit dem Vergessen. Der Wald breitet sich unglaublich schnell aus, wenn man ihn sich selbst überlässt. Genauso wie sich im Roman das Vergessen ausgebreitet hat und die blinden Flecken im Gedächtnis immer größer wurden.
Du sagst, dass du mit dem Wald etwas Ruhiges, Postives assoziierst. Das ist auch so gewollt.
Der Wald ist wie das Vergessen“ vermittelt als Titel eine poetische, ruhige, leise Brutalität, aber eben nicht nur. Denn der Wald, also die Natur, ist, was sie ist: weder moralisch gut noch schlecht. Sie ist einfach da. So wie die Stille, das Schweigen, das Vergessen.

Das hast du schön gesagt. Diese poetische, ruhige Brutalität führt mich zu meiner nächsten Frage. Dein Werk ist ein dystopischer Roman: Was war die Inspiration für dein Buch?

Ich habe mich lange mit der deutschen Vergangenheitsbewältigung beschäftigt. Wie wir mit dem Holocaust umgehen, dem Zweiten Weltkrieg. Wie diese Vergangenheit uns prägt bis heute.

So kam mir der Gedanke: Was wäre, wenn wir uns als Gesellschaft entschlossen hätten, einfach alles zu vergessen, so wie es sicher damals viele gern getan hätten und jetzt 80 Jahre nach Kriegsende viele gerne wieder tun. Nach dem Motto: alles nur ein Fliegenschiss…

Eine spannende Idee! Immerhin stehen wir ja auch heute wieder da und sehen in den Nachrichten Holocaust-Leugner:innen und haben in gewisser Art und Weise mit dem Vergessen zu kämpfen. Das Vergessen spielt in deinem Buch eine zentrale Rolle. Ich glaube, das hat nicht nur individuelle Folgen, sondern auch Folgen für die gesamte Gesellschaft. Manche Dinge sollten nicht vergessen werden. Wie gehen die Menschen in deinem Roman mit dem Vergessen um?

Die Leute im Buch haben alles vergessen. Alles verdrängt. Sogar warum sie ihre Vergangenheit vergessen haben. Sie sind entwurzelt, haben keine Geschichte mehr, auf die sie sich beziehen können, und auch keine Geschichten, die sie sich erzählen. Sie haben keinen Bezug zueinander.

Ich möchte dazu aus dem Buch eine Stelle zitieren, die diesen Zustand beschreibt:

Auch wir graben wie die Kaninchen unsere Stollen und setzen uns vor ihren Ausgängen, wenn das Wetter gut ist, einen Augenblick in die Sonne und nehmen das bisschen Wärme in uns auf, denke ich. Wir gehen aufs Feld oder töten ein Tier, und am Ende des Tages gehen wir zurück in die Kälte unserer Gehäuse.
Ein Tag löscht den anderen aus. So ist unser Leben. Wir wissen nichts.
Wenigstens fressen wir nicht wie die Kaninchen unsere eigene Scheiße.

Der Satz aus dem Buch trifft es genau: Kanickelbau!

Beschreibe dein Buch doch bitte in 3 Wörtern.

Das kann ich nicht…oder vielleicht doch: Welt ohne Erinnerung.

Erinnerungen können nicht nur identitätsstiftend sein, sondern auch Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Welche Gruppen gibt es denn in deinem Roman (falls sich Gruppen ausmachen lassen)?

Es gibt die Leute aus dem Dorf, die Beherrschten. Es gibt die S-Org, die Bestimmer.

Es gibt mysteriöse Flieger, die Flugblätter über dem Land abwerfen und es gibt Einzelne, Leute aus dem Dorf, wie die Hauptfigur Blume oder ihr Vater Jori, die sich fragen, was war. Aber das sind wenige.

Was ist das Besondere an deiner dystopischen Welt und was hast du am liebsten an dieser Welt? Und welche Stelle oder welcher Satz ist deine Lieblingsstelle in deinem Buch?

In der Welt von „Der Wald ist wie das Vergessen“ herrscht tiefes Schweigen und natürlich Angst. Da das Land völlig von der Außenwelt abgeschnitten und sich selbst überlassen wurde, gibt es nichts mehr. Nur Wald, nur Natur. Das ist das Besondere. Die Natur.

Ich mag besonders Vorrede und Schluss, die die die Erzählung wie eine Klammer umschließen. Ich mag die poetische Sprache, die ich dort benutze.

Kannst du uns die Protagonist:innen kurz vorstellen? Was treibt sie an?

Blume. Lila. Jori. Die Schwarze.

Blume ist die Ich-Erzählerin und Hauptfigur. Die Schwarze ist ihre Mutter, Jori ihr Vater. Lila ist Blumes kleinere Schwester, sie hat jedoch einen anderen Vater.

Blume findet sich nicht ab mit dem was ist. Sie fragt nach, macht sich schließlich auf die Suche nach der Vergangenheit.

Aber auch die anderen Lila, Jori, die Schwarze haben ein gewisses Rebellentum, eine Unangepasstheit an sich, die sie in Konflikt mit den übrigen Dorfbewohnern bringen. Lila zum Beispiel weigert sich zu sprechen. Die Schwarze wird von den Dorfleuten für eine Hure gehalten und Jori ist allen unheimlich, wei er als einziger in die Zone geht, aus der er das Metall mitbringt, das die S-Org braucht.

Wenn du einen Tag in der Welt deines Romans verbringen dürftest/müsstest/könntest, was würdest du tun?

Ich würde durch den Wald wandern und seine Naturhaftigkeit spüren wollen.

Und mit welchem deiner Protagonist:innen würdest du am liebsten auf einer einsamen Insel landen?

Mit Jori. Auch wenn er nicht viel redet, könnte ich sicher viel von ihm lernen. Wie man jagt zum Beispiel oder wie man Bomben entschärft.

Was liest du selbst in deiner Freizeit? Hast du ein Lieblingsbuch oder eine:n Lieblingsautor:in?

Ich lese viel fremdsprachige Gegenwartsliteratur und Klassiker. Dostojewski ist mein Lieblingsautor.

Dein Buch erschient im Selfpublishing, was hat dir besonders Spaß an der Arbeit daran gemacht und was war herausfordernd für dich?

Ich wurde mit „Der Wald ist wie das Vergessen“ und einem anderen Projekt von einer renommierten Literaturagentur vertreten, aber letztlich ist ein Verlagsvertrag an den Marketingabteilungen gescheitert, die mein Buch für zu abseitig hielten und damit nicht vermarktbar. Mein Ehrgeiz als Selfpublisherin ist nun, das zu widerlegen, denn ich glaube, dass die Leserinnen und Leser sehr wohl Bücher zu schätzen wissen, die sich abseits der ausgelatschten Pfade bewegen.

Nicht Mainstream genug zu sein höre ich oft als Grund für Selfpublishing. Aber gerade das macht Bücher, meiner Meinung nach, ja gerade so spannend. Welche Plattformen nutzt du (in deiner Rolle als Autorin, Selfpublisherin) und welche Rolle spielen soziale Medien dabei für dich?

Ich habe gerade erst angefangen, mich mit Social Media zu beschäftigen, bin auf Instagram und versuche gerade herauszufinden, wie ich die Plattform für mich nutzen kann. Ich habe eine eigene Autoren-Homepage in der Mache, die demnächst online gehen wird: evamariasmon.de. Da gibts dann alle Infos rund um mich, meine Bücher und Projekte.

Perfekt, da werde ich mal vorbei schauen – und hier auch noch verlinken! Kann man dich 2025 oder 2026 auf einem Event, einer Lesung oder einer Messe treffen?

Ja, das wird man auf jeden Fall! Ich habe vor, Lesungen zu machen und auch auf Messen präsent zu sein. Genaue Termine auf meiner Homepage. Auch was die Veröffentlichung meiner anderen Romane betrifft…

Dann freu ich mich schon darauf, da mehr zu erfahren 🙂 Danke für deine spannenden Antworten und Einblicke in deine Welt. Gibt es noch etwas, das du ansprechen möchtest?

Da gäbe es viel. Die Zukunft des Selfpublishing zum Beispiel. Ich habe ja noch drei weitere fertige Romanmanuskripte in der Schublade, die ich veröffentlichen möchte. Und natürlich vor allem die Sorge um die Zukunft der Literatur im Schatten von KI. Werden wir als Menschheit verstummen?

Spannende Themen, die die ganze Buchbubble und eigentlich die gesamte Menschheit betreffen. Vielleicht kommen wir ja dazu, diese Themen in Zukunft noch einmal aufzugreifen. Bis dahin auf jeden Fall vielen Dank für das tolle, interessante Interview!

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